Grundrechte-Report
2014 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland
Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, E.
Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner,
U.
Engelfried und S. Rotino; Preis 10,99 €; 240 Seiten; ISBN
978-3-596-03018-7;
Fischer
Taschenbuch Verlag; Juni 2014
Vorwort
und Inhaltsverzeichnis
Vorwort
der Herausgeber
Das Ausmaß der Überwachung
durch US-amerikanische und britische Geheimdienste haben sich viele nicht
vorstellen mögen. Erst die mutigen Enthüllungen des Whistleblowers Edward
Snowden haben die "globale Massenüberwachung" - wie im Einleitungsbeitrag
des diesjährigen Reports zutreffend formuliert wird - zu Tage gefördert. Was
Datenschützer seit vielen Jahren, auch im Grundrechte-Report, beklagen -
nämlich die allzu große Bereitschaft vieler, mit ihren Daten sorglos oder gar
naiv umzugehen - traf offenbar auch auf die Bundesregierung zu. Die Herausgeber
des Grundrechte-Reports sehen sich indes in ihrer Kritik an Überwachungsstaat
und Umtrieben der Geheimdienste bestärkt. "Wir brauchen eine breite
gesellschaftspolitische Debatte über Transparenz, Kontrolle und Grenzen der
Überwachung in einer Demokratie, über Existenzberechtigung und Legitimation geheimer,
unkontrollierbarer staatlicher Institutionen," lautet das Resümee unseres
Mitherausgebers Rolf Gössner, der sich mit dem NSA-Skandal im
Einleitungsbeitrag befasst.
In weiteren Beiträgen weist
der Grundrechte-Report nach, dass die Überwachung der Bürger und Bürgerinnen
durch „Verfassungsschutz“ oder Polizei auch hierzulande nach wie vor an der
Tagesordnung ist. Die alte Forderung nach Auflösung des Inlandsgeheimdienstes
„Verfassungsschutz“ bleibt hochaktuell. Der Grundrechte-Report 2014 befasst
sich darüber hinaus in rund 40 Beiträgen mit den Bürger- und
Menschenrechtsverletzungen des zurückliegenden Jahres und macht dabei deutlich,
in welchen Bereichen staatliche Behörden Grundgesetz und Grundrechte immer
wieder in Mitleidenschaft ziehen. Wir leben in einem Zeitalter, in dem Proteste
gegen staatliche Politik zunehmen. So demonstrierten über 15.000 Menschen in
Hamburg für eine andere Flüchtlingspolitik, an unzähligen Orten gingen engagierte
Bürgerinnen und Bürger gegen Naziaufmärsche auf die Straße, Tausende
solidarisierten sich mit den Opfern der europäischen Krisenpolitik. Wir begrüßen,
dass in all diesen Protesten die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
mit Leben erfüllt werden. Dies ist für eine Demokratie geradezu ein
Lebenselexier. Auf der anderen Seite stehen zahlreiche staatliche Repressionen
und völlig unverhältnismäßige Polizeieinsätze, die an manchen Orten die
Grundrechte praktisch ausgehebelt haben. Der Polizeieinsatz anlässlich der
Blockupy-Demonstration in Frankfurt, bei dem unzählige Menschen durch das
brutale Vorgehen der Polizei verletzt worden sind und eingekesselten
Demonstranten der Zugang zu Rechtsschutz mutwillig verweigert worden ist, ist
einer der Tiefpunkte in Sachen Versammlungsfreiheit im Berichtszeitraum.
Besonders von
Grundrechtsverletzungen betroffen sind Asylsuchende und Migrant/innen. Während
die über 500 Toten vor Lampedusa im Herbst 2013 die Öffentlichkeit
schockierten, arbeitete die EU-Bürokratie in Brüssel hinter den Kulissen an
weiteren Abschottungsstrategien. Statt zu verhindern, dass Jahr für Jahr
Tausende Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer sterben, streiten sich die
EU-Staaten über die Verantwortung für diese Schutzsuchenden. Aus
menschenrechtlicher Sicht kritisiert der Grundrechte-Report, dass selbst die
Flüchtlinge, die es nach Deutschland geschafft haben, kein Recht zu bleiben
haben, sondern in Länder abgeschoben werden - wie Ungarn oder Bulgarien -, wo
sie außer Elend und Obdachlosigkeit nichts zu erwarten haben. Wie bereits im
letzten Jahr hat uns der grassierende Rassismus besonders beschäftigt. Das
unvorstellbare Versagen staatlicher Behörden bei der Aufklärung der NSU-Morde
zeigt, wie viel noch getan werden muss, um rassistische Strukturen in Staat
und Gesellschaft zu überwinden.
Das Grundgesetz proklamiert
den Sozialstaat - doch gilt er auch für Unionsbürger, die neu nach Deutschland
kommen? Dies ist eine der Fragestellungen, die heutzutage nicht mehr allein
nach deutschem Verfassungsrecht zu beantworten sind, sondern bei denen die
durch die EU verbürgten Rechte für Unionsbürger beachtet werden müssen. In
diesem Sinne lotet der Grundrechte-Report anlässlich eines viel beachteten
EuGH-Urteils die Reichweite des Grundrechtsschutzes durch die EU-Grundrechtecharta
im Verhältnis zum deutschen Grundgesetz aus. Für die Herausgeber des
Grundrechte-Reports steht fest: Die Verteidigung der Grundrechte darf nicht an
den Grenzen Deutschlands, aber auch nicht Europas halt machen. Die
Globalisierung des Überwachungsstaates führt zu neuen Herausforderungen für
die Bürgerrechtsbewegung: Auch sie muss verstärkt in internationalen
Zusammenhängen denken und agieren, weshalb auch der Grundrechte-Report als
"alternativer Verfassungsschutzbericht" die globalen Entwicklungen
verstärkt in den Blick nimmt.
Inhalt
Vorwort
der Herausgeber: In internationalen Zusammenhängen denken!
·
Einleitung
Rolf
Gössner
>Sicherheitsrisiko
Mensch<.
Globale
Massenüberwachung untergräbt Völker- und Menschenrecht, Rechtsstaat und
Demokratie
Dieter
Deiseroth
Rechtspolitische
Konsequenzen aus der „NSA- Ausspähaffäre“
Nils
Leopold
Bestandsdatenneuregelung
– der Generalschlüssel zur Internetüberwachung
Moritz
Assall
Dein
Obdach ist nicht hier. Kein Raum für Wohnungslose am Hamburger Hauptbahnhof
Marei
Pelzer
Hauptsache
weggesperrt? Abschiebungshaft
in Deutschland verletzt EU-Recht
Martin
Heiming
Nichts Neues aus der Anstalt. Der Fall Mollath
Ulrich
Engelfried
Geschlossen und vergessen? Problematik geschlossener Heime für Kinder und
Jugendliche
Ulrike
Spangenberg
Ehe
= Lebenspartnerschaft ≠ Familie ≠ Geschlechtergleichheit
Zum
Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften
Till
Müller-Heidelberg
Keine Glaubensfreiheit im Arbeitsrecht
Abeer
Al-Khafadji
Diskriminierung: der Staat als Vorbild
Ungleichbehandlung
von Frauen in der Arbeitswelt zehn Jahre nach dem Kopftuchurteil
Sönke
Hilbrans
„Wir kotzen gleich!“ Feine Sahne Verfassungsschutz
Sophie
Rotino
Ende gut, alles gut? Der „Denkzettel“-Preis ist Ausdruck der
Meinungsfreiheit
Sören
Böhrnsen
Kriegsrelevante
Forschung an deutschen Universitäten. Zum Streit um die Zivilklausel
Ulrich
Engelfried
Wie
viel Sorge braucht das Kind?
Elke
Steven
Polizeiliche
Konstruktionen der Gefährdung öffentlicher Sicherheit
Martin
Heiming
Tag
der Willkür - alle Jahre wieder?
Demonstration
ohne Demonstranten, Rechtsstaat ohne Rechtsanwälte
Peer
Stolle
Polizeiliche Fälscherwerkstatt? Stadtjugendpfarrer vor Gericht
Volker
Eick
Couragierte
Frauen – derangierte Dienste. Erneuter Angriff auf Gemeinnützigkeit
Till
Müller-Heidelberg
Und nochmals: Streikrecht für Beamte
Udo
Mayer
Informationelles
Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsrecht?
Die Crux mit
dem Fragerecht von Arbeitgebern bei Bewerbungen
Heiko
Habbe
Lampedusa
in Hamburg. Zur
Krise des Europäischen Asylzuständigkeitssystems
Berthold
Münch
Schutzlos
als „Refugee in orbit“ in Europa?
Von
der Flucht aus Afghanistan und Ungarn nach Karlsruhe
Maria
Bethke / Dominik Bender
Das
Kindeswohl im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Kinderrechte
gestärkt – und gleich wieder ausgebremst
Stephan
Nagel
Zuwanderung:
Kommunen verweigern Obdach
Heiner
Fechner
Werkverträge
im Visier
Frühkapitalistische
Ausbeutungsverhältnisse (nicht nur) bei osteuropäischen Arbeitern
Ute
Hausmann
20
Jahre Tafeln - kein Grund zu Feiern
Eva
Steffen
Gekürzte
Sozialleistungen zur Migrationskontrolle.
Bundesverfassungsgerichts-Urteil
zu Asylsuchenden wird ignoriert
Heike
Kleffner
NSU-Opferangehörige
im Fokus polizeilicher Ermittlungen
Martin
Kutscha
Verfassungsschutz
– reformieren oder abschaffen?
Udo
Kauß
Verfassungsschutz beobachtet Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Helga
Lenz
Presse-un-freiheit
bei Nazi-Recherche
Frederik
Roggan
Ein klares Zwar - Aber
Bundesverfassungsgerichts-Urteil
zur Antiterrordatei vermeidet ein Bekenntnis zum Trennungsgebot
Anna
Luczak
Dunkles
Feld. Polizeigewalt
in Deutschland
Marei
Pelzer
Richterin
Gnadenlos.
Amtsgericht Eisenhüttenstadt kriminalisiert Flüchtlinge
Rosemarie Will
Der EuGH erweitert die Anwendung der Grundrechtscharta
Matthias Lehnert
Another Brick in the Wall
Neues EU-Grenzschutzrecht verletzt Menschen- und
Flüchtlingsrechte
Katharina
Stamm
Ein
menschenwürdiges Existenzminimum - auch für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger
Johann-Albrecht
Haupt
Konkordatslehrstühle
– Warum kneifen die bayerischen
Bischöfe?
Helmut
Pollähne
Wahlbehinderung?
Zum
Ausschluss von Menschen mit psychischen Behinderungen von der Bundestagswahl
Jasper
Prigge
Abgeordnete
weiter unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Volker
Eick
Unmenschliche Behandlung
‘Erkenntnisse’
aus einem Frankfurter Staatsschutzverfahren
Ulrich
Engelfried
Freiheitsentziehung
ohne richterliche Kontrolle?
Wer
entscheidet über Fixierungen bei Minderjährigen?
Anhang
Bürger-
und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland (Auswahl)
Kurzportraits
der herausgebenden Organisationen
Herausgegeben
von: Humanistische Union • Komitee für
Grundrechte und Demokratie • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • PRO
ASYL • Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein • Vereinigung
demokratischer Juristinnen und Juristen • Internationale Liga für
Menschenrechte • Neue Richtervereinigung